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Historie und Verantwortung – Die Wieland-Werke 1933–45

Die Kriegsjahre des Zweiten Weltkriegs waren auch für die Wieland-Werke AG eine schwierige Zeit, für die das Unternehmen historisch um seine Verantwortung weiß. Als Hersteller von NE-Halbzeugen erfuhr Wieland von Seiten der Behörden eine Vorzugsbehandlung, musste sich aber dennoch unermüdlich für den Fortbestand und Schutz des Unternehmens und dessen Mitarbeiter einsetzen.

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Story 062 – 1942 – Menschen

Lina Einstein: Ein großer Name rettet sie nicht

Ehemalige Mitarbeiterin der Wieland-Werke wird in Treblinka ermordet

Der in Ulm geborene Physiker Albert Einstein hat zahlreiche Verwandte in der Münsterstadt. Manchen kann er aus dem Exil helfen, nach 1933 das Land zu verlassen. Seiner Cousine Lina Einstein, Telefonistin bei Wieland, nicht. Sie stirbt 1942 in den Gaskammern des NS-Regimes.

Als sich die 28-jährige Lina Einstein 1904 bei Wieland in Ulm – wo bereits ihre Schwester Anna arbeitet – als Telefonistin bewirbt, ist ihr Cousin Albert Einstein noch ein unbekannter Mitarbeiter des Schweizer Patentamtes in Bern. Seine bahnbrechende Spezielle Relativitätstheorie erscheint erst ein Jahr später. Sie macht ihn nicht nur zu einem der bedeutendsten Wissenschaftler seiner Zeit, sondern auch zum wohl bekanntesten Sohn der Stadt Ulm.

Dort wohnen damals mindestens vier Tanten und Onkel des späteren Nobelpreisträgers – und der Großteil seiner 18 Cousinen und Cousins. Unter anderem am Marktplatz jene Lina Einstein, die als alleinstehende Frau von 1904 bis zum Renteneintritt 1937 bei Wieland arbeitet. Danach wartet aber kein geruhsamer Lebensabend auf sie – ganz im Gegenteil. Die Diskriminierungen des NS-Staates gegenüber Juden gehen gerade zu dieser Zeit in offene Repressalien und bald auch gezielte Verfolgung und Vernichtung über.

Ihr Cousin Albert ist mittlerweile weltweit gefeierter Nobelpreisträger – und in die USA emigriert. Von dort aus hilft er Verwandten, Freunden, ehemaligen Kollegen, Deutschland zu verlassen. Vor allem durch Empfehlungsschreiben („affidavits of support“), die es den Ausreisewilligen erleichtern sollen, durch seinen großen Namen entsprechende Genehmigungen zu erhalten. Manchmal gelingt dies, manchmal nicht - wie bei Lina Einstein. Zunächst noch von der israelitischen Gemeinde unterstützt, muss sie nach Beginn des 2. Weltkrieges ihre Wohnung in der Ulmer Innenstadt räumen und wohnt fortan in einem jüdischen Altersheim im Oberstotzinger Schloss.

Die Empfehlungsbriefe Albert Einsteins für seine Cousine Lina sind nicht erhalten. Ein im Stadtarchiv Ulm archiviertes Schreiben an einen „lieben Vetter“ vom 23. Oktober 1941 könnte sich aber auf sie beziehen. Ernüchtert stellt Einstein fest: „Unter den obwaltenden Umständen sehe ich leider keine Möglichkeit, die Beiden aus Deutschland heraus zu bekommen. Es ist eben zu lange gewartet worden.“ 1942 wird Lina Einstein zunächst nach Theresienstadt deportiert, von dort geht es nach Treblinka, wo sie sofort nach Ankunft am 28. Februar 1942 in der Gaskammer ermordet wird. Auch vier weitere Cousins und Cousinen aus der Familie überleben den Holocaust nicht.

Albert Einstein hat seine Geburtsstadt nie mehr betreten. An seine Cousine Lina Einstein erinnert heute ein „Stolperstein“ am Ulmer Marktplatz.

Auszug handschriftlicher Bewerbungsbrief

Mit diesem Schreiben bewirbt sich Lina Einstein am 27. Mai 1904 als Telefonistin. Zwei Wochen später erhält sie ihren Arbeitsvertrag, der Monatslohn beträgt 100 Mark.

Gruppenbild Mitarbeiterinnen Telefonzentrale 1904

Das Foto von Lina Einstein (3.v.l.) und ihren Kolleginnen aus der 1904 neu eingerichteten Telefonzentrale ist Teil ihrer Personalakte, die bis heute im Wieland Werksarchiv aufbewahrt wird.

Brief Finanzamt

Mit der Deportation wird das Vermögen von Lina Einstein „zugunsten des Deutschen Reiches eingezogen“. Wieland wird aufgefordert, weitere Pensionszahlungen „an die Jüdin nicht mehr zu leisten.“

Auszug Wieland International

Wieland International erinnert 2015 an Lina Einstein. Ebenso ein vom Künstler Gunter Demnig gesetzter „Stolperstein“ vor ihrem früheren Wohnhaus am Ulmer Marktplatz.