Als der Lohn noch in die Tüte kommt
Zur Not wird der Zahltag mit der Waffe verteidigt
Noch in den 1960er-Jahren wird der Lohn in bar ausgezahlt. Riesige Geldsummen sind zwischen Bank, Ulmer und Vöhringer Werk unterwegs. Um Räuber abzuschrecken, kauft Wieland drei Pistolen – die glücklicherweise nie eingesetzt werden müssen.
Die Barauszahlung des Arbeitslohnes in der berühmten Lohntüte ist bei Wieland noch bis weit in die 1960er-Jahre hinein üblich. Noch nicht gebräuchlich sind allerdings Security-Dienstleister, die den heiklen Transport der immer größer werdenden Bargeldmengen übernehmen. Also schickt die Personalabteilung von Wieland zweimal im Monat einige Mitarbeiter zur Filiale der Landeszentralbank in Ulm, um Bargeld zu holen. Ein Teil davon wird im Ulmer Werk ausbezahlt, der andere in Vöhringen.
Es sind keine schlechten Erfahrungen, die das Unternehmen 1965 zu einem außergewöhnlichen Schritt animieren, sondern ein „Beraubungsvertrag“ mit der Schwäbischen Treuhand AG. Er gewährleistet Versicherungsschutz nur dann, „wenn drei Begleiter mit einer Schußwaffe versehen sind.“ Die ordnungsgemäße Anschaffung derselben verursacht einigen bürokratischen Aufwand mit dem Amt für öffentliche Ordnung der Stadt Ulm und dem Landratsamt Neu-Ulm – zumal die Waffen im grenzüberschreitenden Verkehr zwischen Baden-Württemberg und Bayern mitgeführt werden sollen. Außerdem müssen für namentlich zu benennende Wieland-Mitarbeiter Waffenscheine beantragt werden.
Nach Überwindung der bürokratischen Hürden erhalten die vier Waffenträger Schießunterricht bei der Polizei. Und eine rechtliche Aufklärung darüber „w a n n von der Schusswaffe Gebrauch gemacht werden kann.“ Darüber scheint trotzdem Unklarheit zu herrschen, weshalb eine Dienstanweisung vom März 1966 die geltenden Notwehrbestimmungen noch einmal präzisiert und anfügt, „daß die Herren des Begleitschutzes … keineswegs genötigt sind, sich einem Angriff mit der Waffe zu widersetzen. Die hauptsächliche Wirkung der Waffenklausel in den Versicherungsverträgen soll der Abschreckung dienen.“
Diese funktioniert, nicht ein einziges Mal wird ein Lohngeldtransporter von Wieland überfallen, bis Anfang der 1970er-Jahre die bargeldlose Lohnzahlung eingeführt wird. Die Pistolen werden überflüssig, sie werden 1974 für 100 D-Mark an ein Ulmer Waffengeschäft verkauft. Überflüssig wird damit auch die Angst vieler Ehefrauen. Sie fürchten bis dahin zwar keinen Raubüberfall, wohl aber das empfindliche, gastronomisch bedingte Schrumpfen der Lohntüten ihrer Männer auf dem Weg zwischen Werk und Wohnung.